Das Kompetenzzentrum Osteuropa zielt auf ein historisch-politisch-kulturelles Verständnis der unmittelbaren Nachbarn und angrenzenden östlichen Räume der Oberlausitz, sprich: Ostmittel- und Osteuropa. EKOL sieht das als eine Vorbedingung für Beziehungen, die auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen basieren. Die Oberlausitz ist die Region, die die dafür notwendigen Kompetenzen und Ressourcen, auch im Sinne eines Europa der Regionen innerhalb eines größeren Zusammenhanges bereithält. Hier leben Deutsche und Sorben, dort Nachbarn, die Letzteren nicht fremder sind, als hier den Deutschen. Kulturvergleich ist hier nicht nur nötig, sondern kann auch erfolgreich sein. Kulturelle Identitäten können hier tatsächlich mit der Stärkung der integrativen Potentiale wachsen.
Der Aufbau dieses Archivs begann 1998 mit wesentlicher fachlicher Unterstützung der Bundesstiftung Aufarbeitung, des Berliner Matthias-Domaschk-Archivs und finanzieller Unterstützung durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Sachsen, dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Heute ist das Archiv Bürgerbewegung ein Arbeitsbereich der EKOL und zielt insbesondere auf die Vermittlung der Geschichte der Friedlichen Revolution in der Oberlausitz und deren Kontext, als auch nationalsozialistische Verbrechen. Vorrangig über Ausstellungen, Zeitzeugenvermitt-lung und visualisierte Lebenserfahrungen erreicht EKOL Jugendliche in Schulen der Sekundarstufe I und II, Erwachsene sowie Multiplikatoren.
In diesem Arbeitsbereich geht es zunächst rein theoretisch um das Wesen des Menschen, sein Selbstverständnis und dessen Relation zu Gesellschaft und Welt. Thematisiert wird das Problem seiner Unvollkommenheit im Zusammenhang von gesellschaftlichen und globalen Entwicklungen, die seine vollständige Optimierung fordern. Praktisch hat dies hat unsere Lebenswirklichkeit auf vielerlei Weise bereits verändert. Unaufhaltsam drängen weitere, die derzeitigen Vorstellungen übersteigende Veränderungen vor. Das Ziel ist es, Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der bestehenden Literatur und gesellschaftlichen Debatten zu schaffen und so zu Reflexionen und vielfältigen Auseinandersetzungen anzuregen. Darüber ist es möglich, Themen zum Ausdruck zu bringen, die in der Gesellschaft für wichtig und auseinandersetzungswürdig im Sinne von zukunfts-relevant und existentiell betrachtet werden. Die Oberlausitz ist dafür geeignet, weil sie ein Teil der deutschen und europäischen Gesellschaft ist, der eine reiche Tradition geistiger Auseinandersetzungen mit den jeweils drängenden Zeitfragen besitzt. EKOL wird diese auch über hervorragende Personen recherchieren und nutzbar machen.
Das 2019 in der Umweltbibliothek Großhennersdorf ins Leben gerufene „Medien- und Vermittlungszentrum ländliche Kultur: Film. Buch. Foto“ beschäftigt sich am Beispiel der Lausitzer Region mit aktuellen und historischen Entwicklungen, die den ländlichen Raum und das Leben auf dem Land prägten und prägen. Das Themenspektrum umfasst die Folgen der Industrialisierung auf die bäuerlich-/ländliche Gemeinschaft und die Landwirtschaft ebenso wie die Entwicklung des Handwerks, Transformationen der dörflichen Natur- und Kulturlandschaft, von Kunst, Kultur und Religion durch sich verändernde ideologische, wirtschaftliche oder klimatische Rahmenbedingungen.
Das Projekt „Medien- und Vermittlungszentrum LANDKULTUR: Film. Buch. Foto“ der Umweltbibliothek Großhennersdorf e.V.
Blick auf Großhennersdorf, 60er Jahre. Foto: Oskar Walter
Weniger Beachtung findet in diesem gesamten Prozess die Transformation der ländlich-dörflichen Regionen, die, trotz Instandhaltung und Verschönerung der Bausubstanz, durch eine Abkehr von den Wurzeln ihren bäuerlich-ländlichen Charakter verlieren – nicht ohne Auswirkungen auf die hier ansässige und sich mit dem Landstrich verbunden fühlende Bevölkerung.
Perspektiven erhalten und neu entwerfen – ins Gespräch kommen Seitens der Politik gibt es eine erhöhte Aufmerksamkeit nach den nunmehr etwas abrupten und unerwarteten Ende der Braunkohle-Industrie, diesen Entwicklungen einen gestalteten Transformationsprozess entgegenzusetzen, um Perspektiven der menschlichen Gemeinschaften in dieser unseren ländlichen Region zu erhalten oder neu zu entwerfen. In Anfängen werden diese Prozesse wissenschaftlich begleitet, woran es aber insgesamt mangelt, ist eine offene Debatte mit der Bevölkerung: Gerade durch die politischen Ereignisse der letzten Jahre hat sich hier ein Spaltungsprozess vertieft.
Besonders in den Dörfern – und die Oberlausitz ist zu ca. 90 Prozent ländlicher Raum – passiert der Industrialisierungsprozess der Landwirtschaft und die damit verbundene tiefgreifende Veränderung traditioneller Lebensformen der Menschen weitgehend ohne qualifizierte Kommentierung und ohne Debatten, in denen die diversen Akteure zu Wort kommen und ihre unterschiedlichen Vorstellungen austauschen. Dies hat verschiedene, notwendig zu analysierende Ursachen. So haben 60 Jahre nationalsozialistischer und kommunistischer Umgestaltungspolitik der ländlichen Räume tiefe Spuren hinterlassen. Zudem (und damit verbunden) ist ein noch wenig entwickeltes Verhältnis der Teilhabe an demokratisch legitimierten, gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zu verzeichnen. Deshalb ist es an der Zeit, diese Situation zu analysieren, um die Ergebnisse mit aktiven Personen und Gruppen zu diskutieren, um Wege für eine lebendige und breiter angelegte Behandlung zu finden.
Gleichberechtigte ländliche Teilhabe und Vernetzung fördern Darüber hinaus muss uns aber klar sein, dass das, was wir in unserer Region, der Oberlausitz, wahrnehmen, Teil eines größeren, schon sehr langanhaltenden Prozesses ist, der im Wesentlichen schon immer den Charakter hatte, in Städten inszeniert und forciert zu werden – auf eine Art und Weise, die die gleichberechtigte Teilhabe der ländlichen Bevölkerung mit Vorsatz auszuschließen suchte. Besonders in den Diktaturen des letzten Jahrhunderts wurden die kulturellen Anliegen und Bedenken der ländlichen Bevölkerung durch intensive Folklorisierungsbestrebungen banalisiert. Aus solchen als übermächtig empfundenen Entwicklungen resultiert ein starkes Mitbestimmungsdefizit der Menschen im ländlichen Raum, was aus städtischer Sicht als Unterentwicklungssyndrom charakterisiert wird.
Wir sind davon überzeugt, dass es eine energische und starke Unterstützung der Träger ländlicher Kultur geben muss, damit die Stimme derer, die noch eine Sprache haben, in diesen, insbesondere sie selbst betreffenden Prozessen und Auswirkungen (dessen Entwicklung an den jahrzehntelang schon stattfindenden Veränderungen ablesbar ist) hörbar wird. Dafür müssen wir uns vorbereiten auf eine Kommunikation, die auf die Menschen und ihre Situation im ländlichen Raum eingeht und ihre Perspektive einnimmt, um das Zusammenkommen eines Dialogs zwischen diesen Akteuren zu ermöglichen.
Bis jetzt noch gehören wir eher zu einem Raum, des gebrochenen kulturellen Selbstbewusstseins, das sehr viel mehr Ähnlichkeiten hat mit den Verhältnissen in Ostmitteleuropa. Wir kennen aber eine Kultur der Auseinandersetzung um all die Probleme, die sich damit verbinden, im gesamten Alpenraum, in Österreich, in der Schweiz und in Süddeutschland und finden dort sehr viele Gründe, uns am Positiven zu orientieren.
Ein Medien- und Vermittlungszentrum für ländliche Kultur in Großhennersdorf Konzipiert als Kompetenz- und Vermittlungszentrum erarbeitet die Umweltbibliothek als Projektträger und Koordinator gemeinsam mit einem starken Partnernetzwerk über verschiedene mediale Formate („Film – Buch – Foto“) mögliche Inhalte und Wege für eine kulturelle Teilhabe im ländlichen Raum und eine gemeinsam gestaltete Zukunft im Landkreis Görlitz, der Oberlausitz oder auch dem anliegenden Dreiländereck Polen-Deutschland-Tschechien. Im Rahmen von Vorträgen, Filmvorführungen, Lesungen, Ausstellungen oder Diskussionsveranstaltungen schaffen wir die Möglichkeit der vertiefenden Information und des gegenseitigen Austauschs.
Sammlungsaufruf: Zeugnisse ländlicher Kultur in der Oberlausitz gesucht! >> weitere Informationen